"Bismarck", die unendliche Geschichte
!
Wenn man einen nicht-maritimen Mitmenschen nach ein paar Schiffsnamen
fragt, fällt ihm als erstes sicher die "Titanic"
ein. Als zweites wird vielleicht die "Santa-Maria"
genannt, aber dann kommt höchstwahrscheinlich der Name "Bismarck".
In Modellbaukreisen ist die "Bismarck", so lange ich
denken kann, ein Dauerbrenner. Kaum ein Monat vergeht, ohne das
nicht in einer Fachzeitschrift ein neues Modell des Schiffes,
oder eine Abhandlung, zu diesen Thema veröffentlicht wird.
Das Schiff wurde als Riesenmodell präsentiert, ein anderes
Modell wurde vergoldet, oder wieder eine andere "Bismarck"
imponierte mit einer Schußanlage, bei der die Mündungsfeuer
wie beim Original über das gesamte Vorderdeck reichten.
Die meiner Meinung nach beste "Bismarck" stand vor
ein paar Jahren auf der Intermodell, hier waren sogar die Kabel
und Elektroanschlüsse an Oberdeck und den Geschützen
nachgebildet.
Hier nun die Geschichte meiner "Bismarck":
Aus einen Wrack wird ein Hobby:
1971 war ich gerade 15 Jahre alt und betrieb Kunststoff-Modellbau
seit ca. 4 Jahren. Der Arbeitskollege meines Vaters hatte von
meinen Hobby gehört und schenkte mir seine alte "Bismarck".
Es war ein Standmodell im Maßstab 1/200 von der Firma AeroNaut.
Der Rumpf war in Schichtbauweise aus Balsaholz gearbeitet, und
dem Lack und Klebstoff nach zu urteilen, war es in den fünfzigern,
spätestens aber Anfang der sechziger Jahre gebaut worden.
Ob der Arbeitskollege das Schiff selbst gebaut hatte, oder ob
er irgendwie daran gekommen ist, wurde nie geklärt. Jedenfalls
hatten seine Kinder im Lauf der Jahre offenbar ausgiebig mit
dem Modell gespielt. Als ich es bekam, war nicht viel mehr als
die Grundaufbauten und ein paar Geschütze vorhanden,
und selbst diese lösten sich langsam auf. Aber ich hatte
ja schon einige Erfahrung im Modellbau und so ging es mit viel
Idealismus und wenig Taschengeld an die Restaurierung des Schiffs.
Zu dieser Zeit waren echte Informationen über das Kriegsschiff
noch recht selten, und so sind bei der ersten Instandsetzung
noch erhebliche Baufehler gemacht worden. Meine "Bismarck"
sollte natürlich richtig schwimmen und wurde erst einmal
als Freifahrer ausgestattet. Bei dem ersten Antriebskonzept wußte
man nicht was schwächer war, die Motoren oder die einfachen
Batterien. Auch der Holzrumpf saugte sich immer wieder voll Wasser
und zeigte Risse. So kamen in dieser Zeit auf eine Stunde fahren,
ca. 8 Stunden zum reparieren.
Endlich eine Fernsteuerung:
Beruflich entwickelte ich mich in Richtung Elektrik/Elektronik,
was sicher für alle meine Modelle prägend ist. Das
Schiff war von Anfang an als Multifunktions-Modell geplant, und
so war nach Jahren die erste angeschaffte Fernsteuerung gleich
eine 4-Kanal-Anlage, von der 2 Prop-Kanäle mechanisch auf
6 Schaltkanäle umgebaut wurden. Auch der Antrieb und die
Akkus wurden erneuert. Ein ganz großes Lob muß ich
hier den 6 V Monoperm-Motoren aussprechen, die nun seit fast
25 Jahren in den Schiff werkeln, zwei arbeiten sogar in Reihe
an 12 Volt.
Von nun an veränderte sich die "Bismarck" fast
in jeden Jahr. Optisch und technisch wurden ständig Verbesserungen
eingebaut. Der Holzrumpf wurde mit einer GFK-Matte überzogen,
und gab seitdem Ruhe. Aus den 6 mechanischen, wurden 10 elektronische
Schaltkanäle, bis letztlich eine neue FM-Anlage her mußte.
Eine Graupner T 1008, die auf 7 Kanäle ausgebaut ist, versieht
seit dem ohne Mängel ihren Dienst. Die angebotenen elektrischen/elektronischen
Bauteile wurden immer besser, vor allen immer kleiner und leichter,
hinzu kam die Einführung der SMD-Bauweise. Das alles freute
mich sehr, da das Schiff nur ein Kampfgewicht von ca. 6 Kilo
aufweisen kann.
Der ganz große Umbau:
1996 wurde in der Schiffsmodell das Buch: "Schlachtschiff
Bismarck", eine technikgeschichtliche Dokumentation von
Siegfried Breyer/Gerhard Koop vom Bechtermünz Verlag zum
Sonderpreis angeboten. Das Buch ist für den, der sich für
die Konstruktion und Technik von großen Passagierschiffen
begeistern kann, genau das richtige. In einen Kriegsschiff dieser
Kategorie, ist das ingenieur-technische Wissen noch einmal mehrfach
konzentriert und noch komplexer. Es beschäftigt sich zu
ca. 75% mit dem Bau der "Bismarck" und ist mit wirklich
zahlreichen Original-Fotos und Zeichnungen ausgestattet.
Technisch war meine "Bismarck" zu der Zeit sicher schon
Spitze, optisch waren aber erhebliche Mängel nicht zu leugnen.
Besonders der alte Holzrumpf ließ in der Linienführung
noch zu wünschen übrig. So entschloß ich mich
zu den umfangreichsten und radikalsten Umbaumaßnahmen.
Elektrisch gesehen war es die vierte Komplettkonstruktion im
Leben der alten Dame.
Der zur Zeit lieferbare AeroNaut-Rumpf im Maßstab 1/200
der "Bismarck" ist aus ca. 2-3 mm starken ABS und die
Linienführung wurde im Großen und Ganzen recht ordentlich
wiedergegeben. Das Unterwasserschiff ist zwar zu tief geraten,
aber in diesen Maßstab freut man sich über jedes Kilogramm
zusätzlichen Auftrieb. Ärgerlicher ist da schon die
plumpe Ausführung der Seitenantriebe. Diese schleifte ich
komplett weg, setzte eine GFK-Matte ein und konstruierte die
Seitenantriebe entsprechend den Original-Unterlagen neu.
Das Hauptdeck belegte ich mit ca. 600 Birnbaumleisten der Größe
40x2x0,5 mm. Das Holz hat eine sehr feine, helle Maserung und
ist für Schiffe in kleinen Maßstäben sicher die
optimalste Lösung. Eine dreizügige Reling wurde ebenfalls
gekauft, den ca. 200 Relingstützen mit nur 6 mm Höhe
kann ich in dieser Qualität nicht selbst herstellen.
Die Aufbauten sowie die Geschütze wurden von meiner alten
"Bismarck" vorsichtig abgenommen. Natürlich wurde
die alte Farbe so gut es ging entfernt. Abgerundete und ausgebrochene
Ecken mußten neu aufgefüttert und wieder kantig geschliffen
werden. Alle Bullaugen auf dem Schiff wurden mit Regenleisten
versehen. Hinzu kamen etliche Kleinigkeiten die zum größten
Teil gleich in einer Miniserie produziert werden mußten.
Aber diese Sachen machen die Deckslandschaft erst richtig interessant.
Farblich entschied ich mich für den Tarnanstrich den das
Schiff von März bis Mai 1941 führte. Die alten, Original
schwarz/weißen Fotos gaben immer noch einige Rätsel
der tatsächlichen Tarnung auf. Fest steht nur, das die Tarnung
gemäß den Werftplänen nie aufgebracht wurde.
Ich habe mich daher auf den Anstrich beschränkt, der auch
einwandfrei zu erkennen ist.
Bei diesen umfassenden Umbau wurde auch gleich ein Dutzend neuer
Sonderfunktionen eingebaut. Diese waren zum Teil schon lange
geplant, konnten aber baubedingt in der alten "Bismarck"
nicht umgesetzt werden. Mittlerweile wurden auch hochwertige
elektronische Sprachchips mit einfacher Beschaltung angeboten,
die auch im spannungslosen Zustand ihre Information behalten.
So konnte das akustische Umfeld des Schiffes individuell noch
einmal verbessert werden.
Bei Interesse an einem speziellem Soundmodul einfach mal eine
Mail
schicken.
Die neue/alte "Bismarck":
Im Frühsommer 1998 erfolgte dann die zweite Indienststellung
meiner "Bismarck". Ein paar Kinderkrankheiten mußten
noch beseitigt werden, denn mein neues Schaltmodul hat jetzt
30 Schaltkanäle. Die SMD-Potis unterliegen im Schiff starken
Temperaturschwankungen und verändern ihre Werte leider in
unerwünschten Maßen. Hier konnten nur im Fahrbetrieb
die Mängel erkannt und nachgebessert werden. Auch etwa 60
Mann Besatzung der Firma Preiser in Spur N (1:160) wurden an
Bord genommen. Da die Figuren im allgemeinen etwas kleiner als
der angegebene Maßstab sind, passen sie gerade noch zum
Schiff.
Im Laufe der Jahre hat sich zu der "Bismarck" der
Hafenschlepper "Osiris" dazugesellt. Es handelt sich hier um
einen freien Nachbau der englischen "Thames" im Maßstab
1/150. Ursprünglich war die Eigenkonstruktion mit einen
Gewicht von 134 g als Kontrast zum Schnelldampfer "Vaterland"
im gleichen Verhältnis gedacht. Das Passagierschiff wurde
bis heute jedoch noch nicht gebaut und um dem Multifunktions-Schlepper
einen sinnvollen Hintergrund zu geben, arbeitet er heute mit
der "Bismarck" zusammen. Der Größenunterschied
ist selbst bei den verschiedenen Maßstäben noch beeindruckend.
Die Vorführung:
Anläßlich der Hamelner Modellbautage 98 erstellte
ich für die beiden Schiffe einen Vorführplan. Irgendwann wird dies unerläßlich,
bei der Vorstellung läuft man sonst Gefahr eine Funktion
einfach zu übergehen.
Schlußwort:
Meine "Bismarck" ist voll seetauglich, der schwere
Akku liegt mittig, sodaß der Bug bei Seegang immer die
Wellenbewegung gut mitmacht. Auf Grund der vielen Funktionen
führe ich das Schiff aber lieber auf einem Wasserbecken
oder in einem Schwimmbad vor. Die Zuschauer können so die
Vorführung genauer beobachten, außerdem werden bei
einen Abstand ab ca. 6 Meter die kleinen Einzelheiten undeutlich.
Ich weiß, der eine oder andere Besucher wird nun den
Finger heben und sagen: "Die Barkassen sahen aber anders
aus, und hier fehlt dies und dort fehlt das". Er hat recht,
aber es ist ein Modell aus den fünfziger Jahren im Maßstab
1:200. Trotz der zahlreichen Umbauten kann und soll es seinen
Ursprung doch nicht ganz verleugnen. Für ihr Alter, ist
die betagte Dame, bei aller Kritik, doch noch prächtig in
Fahrt.
Alles in allen hoffe ich doch, das der Betrachter einen Einblick
in die Komplexität und die ingenieur-technische Höchstleistung
eines derartigen Schiffs bekommt. Auch wenn letztendlich alle
Kriegsschiffe nur zum Zweck der Vernichtung gebaut werden.
Rechnet man die reine Bauzeit können sicher etwa 20 Jahre
veranschlagt werden. Doch die meisten Techniken wurden erst nach
und nach entwickelt und wären früher nicht möglich
gewesen. Und wer sagt den, das die Geschichte schon zu Ende ist.
Im Schiff sind noch 450 g Trimm-Blei, ein Propkanal kann noch
belegt werden und die Barkassen würden vielleicht 5 g Elektronik
tragen. Also soll sich niemand wundern, wenn in 10 Jahren die
Fortsetzung meiner "Bismarck" kommt.
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